Juli 05, 2019
Medizinprodukteverordnung Benannte Stelle Österreich

Österreich soll erste Benannte Stelle bekommen

Das im Dezember 2018 neu gegründete Unternehmen QMD Services hat Mitte Juni 2019 den Antrag auf Benennung als Konformitätsbewertungsstelle nach der Medizinprodukteverordnung (Verordnung (EU) 2017/745) beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz eingebracht. Nun folgt ein in der Verordnung detailliert vorgegebener langwieriger Zulassungsprozess unter entscheidender Mitwirkung der EU-Kommission. Eine weitere Einreichung nach der Verordnung für In-vitro-Diagnostika ist in Vorbereitung.

Anni Koubek, Geschäftsführerin QMD Services. ©Anna Rauchenberger

Medizinprodukte werden laufend nach dem Stand der Wissenschaft und dem Stand der Technik entwickelt und verbessert, die Innovationskraft in diesem Sektor ist sehr hoch. Der Weg von der innovativen Idee zum einsatzbereiten Medizinprodukt ist jedoch arbeitsintensiv und lang. Für eine Produktzulassung in der medizinischen Routine ist eine gesicherte Qualität notwendig, dasselbe gilt für In-vitro-Diagnostika. Durch die strengeren Bestimmungen der neuen EU-Verordnungen (umfangreichere technische Dokumentation, deutlich erhöhte Anforderungen an die Prüfung und die Validität der klinischen Daten, Lebenszyklusbegleitung der Produkte durch die Benannte Stelle) sowie höheren Anforderungen an das Personal der Benannten Stellen (Anzahl und Ausbildung der Fachkräfte) haben sich viele der bisherigen Konformitätsbewertungsstellen aus dem Markt zurückgezogen.

„Derzeit gibt es in Österreich keine heimische Benannte Stelle für eine Produktzulassung im Medizinproduktebereich. Wir möchten diesem Defizit entgegentreten“, sagt Anni Koubek, Geschäftsführerin der QMD Services. Selbst nach der derzeit noch gültigen Richtlinie für Medizinprodukte sind in Europa nicht ausreichend Benannte Stellen tätig und mehrmonatige Wartezeiten bei der Neuzulassung bzw. für die Genehmigung von signifikanten Änderungen üblich.

Neben wirtschaftlichen Einschränkungen sind auch gesellschaftsrelevante Aspekte ein Thema: Engpässe im Zugang zu Medizinprodukten für das Gesundheitswesen müssen durch zeitgerechte Bewertungsverfahren verhindert werden. Von den mehr als 500.000 derzeit in Europa vertriebenen Medizinprodukten werden voraussichtlich etwa 314.000 die Dienste von Benannten Stellen für die Neuzertifizierung im Rahmen der neuen Verordnung in Anspruch nehmen müssen. Die Gefahr, dass österreichische Unternehmen hier in zweiter Priorität behandelt werden, und der Standort Österreich dadurch einen massiven Wettbewerbsnachteil erfährt, ist erheblich.

„Österreichischen Herstellern soll eine nationale Anlaufstelle mit hoher Kompetenz und ausreichend Ressourcen für zügige Bewertungsverfahren angeboten werden“, betont Anni Koubek. So wird innovativen und medizinisch notwendigen Medizinprodukten ein schneller Marktstart ermöglicht.

QMD Services hat sich zum Ziel gesetzt, europäische Benannte Stelle nach den neuen Verordnungen (EU) 2017/745 für Medizinprodukte (MDR) und (EU) 2017/746 für In-vitro-Diagnostika (IVDR) zu werden.

Langwieriger Bewilligungsprozess
Die Benennung der Konformitätsbewertungsstellen durch die Behörden zur Zertifizierung von Medizinprodukten gemäß den Anforderungen von MDR und IVDR geht nur schleppend voran. Das in Großbritannien ansässige Lloyd’s Register Quality Assurance bestätigt, dass es den Betrieb von Benannten Stellen in Europa einstellen wird, während bisher nur zwei Benannte Stellen – BSI und TÜV Süd – die offizielle Benennung nach MDR und IVDR erhalten haben, und zwar weniger als ein Jahr vor dem vollständigen Inkrafttreten der Verordnungen. Die Europäische Kommission prognostiziert daher mögliche Versorgungsunterbrechungen aufgrund von MDR, IVD. Ein wichtiger Faktor, der festlegt, ob und wie lange Medizinprodukteknappheit auftreten wird, ist die Fähigkeit der Benannten Stellen, neue Kunden für Medizinprodukte und IVD aufzunehmen, und bestehende Kunden gemäß MDR- oder IVDR-Spezifikationen innerhalb der Einhaltung von Fristen zu rezertifizieren.

Aufgrund der Komplexität des Bewilligungsprozesses ist eine Voraussage bezüglich einer Zeitschiene bis zur Benennung nicht möglich. Auf Basis der Prozessschritte und der spärlichen Erfahrungswerte von bisher 2 Benennungen in Europa muss aber mit einer Verfahrensdauer von 18 Monaten oder länger gerechnet werden. „Mit Einreichung des Antrags hat die QMD Services einen ersten wesentlichen Schritt in Richtung Benennung als Konformitätsbewertungsstelle nach MDR für Medizinprodukte erreicht. Nun arbeiten wir intensiv am Aufbau der operativen Prozess- und Kommunikationsstrukturen“, sagt Anni Koubek. In weiterer Folge soll zeitnah der Antrag für die Benennung nach IVDR(EU) 2017/746 erfolgen, um auch in diesem Bereich einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Engpässen in der Gesundheitsversorgung leisten zu können.

Quelle: Quality Austria / QMD Services